Zeit
Zeit wird hierzulande zwischen den Geschlechtern ungleich verwendet. Mit einem Gleichstellungs-Check können – auch nicht beabsichtigte - Auswirkungen eines Regelungsvorhabens auf die Gleichberechtigung der Geschlechter im Themenfeld Zeit frühzeitig erkannt werden. Dies macht Gesetze zielgenauer und wirksamer.
In der Alltagssprache wird „Arbeit“ meist mit bezahlter Erwerbstätigkeit gleichgesetzt. Gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten, die auf den Erhalt des menschlichen Lebens sowie der Arbeitskraft des Einzelnen abzielen, werden wenig wahrgenommen und wertgeschätzt. Hierzu zählen reproduktive Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen.
Frauen leisten bis heute einen Großteil dieser unbezahlten Care-Arbeit. Nach wie vor leben über zwei Drittel aller (Ehe-)Paare in Deutschland in einem so genannten Ernährer- oder Zuverdiener-Modell: Der Mann bestreitet mit seinem Erwerbseinkommen den Lebensunterhalt der Familie, während die Frau hauptsächlich die unbezahlte Sorge- und Hausarbeit leistet. Staatliche Steuer- und Arbeitsmarktpolitik stützen das Modell - obwohl sich immer mehr Männer stärker an der Sorgearbeit beteiligen möchten.
Laut der Zeitverwendungserhebung des Statistischen Bundesamts leisteten Frauen im Jahr 2022 im Durchschnitt täglich 44,3 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer (Gender Care Gap). Die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit spiegelt sich auch in der Inanspruchnahme familienpolitischer Leistungen wider. Zwar beziehen mittlerweile rund ein Viertel der Väter Elterngeld, doch die Unterschiede in der durchschnittlichen Bezugsdauer sind erheblich: Mütter bleiben mehr als viermal so lange zu Hause wie Väter.
Auch bei der zeitlichen Verfügbarkeit für soziale und ehrenamtliche Aktivitäten bestehen signifikante Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Laut verschiedener Studien (z. B. EIGE Survey on Unpaid Care) nehmen erwerbstätige Frauen seltener an sportlichen, kulturellen oder anderen Freizeitaktivitäten außerhalb des Hauses teil und engagieren sich auch weniger ehrenamtlich. Neben der ungleichen Verteilung der Sorgearbeit spielt dabei auch der Mangel an verlässlichen Kinderbetreuungsangeboten eine zentrale Rolle.
Die geschlechtsbezogene Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit ist ein wesentlicher Faktor für langfristige Schieflagen in der Gleichstellung. So tragen sie zur Altersarmut inbesondere von Frauen bei.
Verschiedene zeitpolitische Ansätze wie eine Familienarbeitszeit oder das Optionszeitenmodell haben das Potenzial zur eigenständigen Existenzsicherung und wirtschaftlichen Unabhängigkeit im Lebensverlauf für alle Menschen beizutragen.
Schlüsseltext:
Linek, Leoni/Ahlhaus, Pauline (2024): Zeitpolitik. Hrsg.: Bundesstiftung Gleichstellung (Abruf: 18.06.25)
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Impulsfragen
Steht das Regelungsvorhaben in einem Zusammenhang mit gleichstellungsrelevanten Fragen im Themenfeld „Zeit“, wie z.B.
- die ungleich verteilte unbezahlte Sorgearbeit und Haushaltsführung in Partnerschaften?
- die Entscheidung für Erwerbsarbeit in Vollzeit, vollzeitnaher Teilzeit und Teilzeit?
- die Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung von Frauen und Männern?
- die geschlechtsbezogenen Unterschiede bei der Inanspruchnahme und der Dauer von Elterngeld und Elternzeit?
- die geschlechtsbezogenen Unterschiede im bürgerschaftlichen und politischen Engagement neben dem Beruf?
- die geschlechtsbezogenen Unterschiede in Bezug auf die Mobilität?
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Gesetzesbeispiele
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Datenquellen