Begriffe
-
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist ein Menschenrecht und in unserer Verfassung verankert. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt den Grundsatz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Den Staat trifft gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG das Gebot, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Das Ziel der tatsächlichen Gleichberechtigung geht über eine bloße rechtliche Gleichbehandlung hinaus und erstreckt sich auf die Geschlechter in ihrer Vielfalt und die Lebenswirklichkeiten aller Menschen.
-
Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) erhebt die Gleichstellung von Frauen und Männern zum durchgängigen Leitprinzip (§ 2 GGO). Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein demokratischer Grundwert. Im Blickpunkt stehen „die Interessen, Bedürfnisse und Prioritäten von Frauen wie von Männern unter Anerkennung der Vielfalt unterschiedlicher Gruppen von Frauen und Männern“ (Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen, EIGE). Gleichstellung als tatsächliche Gleichberechtigung beinhaltet die Anerkennung von und die Freiheit zu unterschiedlichen, nicht nach Geschlecht vorgezeichneten Lebensweisen. In Deutschland ist die formalrechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern weitgehend verwirklicht, allerdings bestehen noch Hindernisse und Defizite bei der tatsächlichen Gleichberechtigung.
-
Ein Regelungsvorhaben ist dann für die Geschlechtergleichstellung relevant, wenn es mittelbare oder unmittelbare positive oder negative Wirkungen auf die Gleichstellungssituation der Geschlechter hat. Dabei ist die Einschätzung der Relevanz auf der Grundlage von Fakten zu treffen. Es sind also Statistiken und Studien heranzuziehen, um die Relevanz oder die Nicht-Relevanz zu prüfen.
-
Jede Maßnahme und jedes Regelungsvorhaben kann unmittelbare oder mittelbare, beabsichtigte oder unbeabsichtigte Auswirkungen auf die Gesellschaft und damit auch auf die Gleichstellungssituation der Geschlechter haben. Die evidenzgestützte Prüfung auf solche möglichen Wirkungen verhindert negative (Aus-)Wirkungen im Sinne einer unbeabsichtigten Benachteiligung einer Geschlechtergruppe. Auch bietet eine solche Prüfung die Möglichkeit, im Fall einer festgestellten negativen Wirkung diese durch spezifische Ausgleichsmaßnahmen zu kompensieren und Gleichstellung zu fördern.
-
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) enthält zu beiden Begriffen verbindliche Definitionen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn eine Person z. B. wegen des Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Hingegen handelt es sich um eine mittelbare Benachteiligung, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen z.B. wegen des Geschlechts gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Wenn Personen oder Personengruppen von einer Maßnahme oder einem Regelungsvorhaben betroffen sind, sollte eine Prüfung sicherstellen, dass eine Benachteiligung ausgeschlossen ist.
-
Durch eine gleichstellungsorientierte Folgenabschätzung werden (politische) Maßnahmen, Gesetze, Programme und andere Vorhaben einer vorausschauenden Analyse auf zu erwartende Wirkungen auf die Gleichberechtigung der Geschlechter unterzogen, um Folgen – und somit auch Folgekosten – besser einzuschätzen und ggf. gleichstellungsgerechte Alternativen zu entwickeln .
-
Über Mehrfachdiskriminierung hinaus beschreibt Intersektionalität das spezifische Zusammenwirken von unterschiedlichen Diskriminierungsformen, die sich wechselseitig beeinflussen. Hierbei können auch nicht im AGG geschützte Merkmale wie der soziale bzw. familiäre Status oder die Erwerbssituation als dynamisierender Faktor von Benachteiligungen hinzutreten.
-
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) trifft Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen aus mehreren der in § 1 AGG genannten Gründe. Allerdings definiert § 4 AGG die Mehrfachdiskriminierung nicht, sondern zeigt die Rechtfertigungsmöglichkeiten für eine Mehrfachdiskriminierung auf. Erfolgt also eine unterschiedliche Behandlung wegen mehrerer der in § 1 AGG genannten Gründe, so kann diese unterschiedliche Behandlung nach den §§ 8 bis 10 und 20 AGG nur gerechtfertigt werden, wenn sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt. Von einer Mehrfachdiskriminierung ist auszugehen, wenn verschiedene Diskriminierungsgründe zusammenkommen und sich wechselseitig verstärken. Hierbei wird verkürzt von einer additiven Form der Diskriminierung gesprochen.
-
Geschlechtervielfalt bezeichnet die Tatsache, dass biologisch und sozial mehr als zwei Geschlechter in der Gesellschaft vorfindbar sind und entsprechend in der Ausgestaltung von Maßnahmen berücksichtigt werden. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 zur sogenannten Dritten Option zieht auch nach sich, dass Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann definieren, gegenüber anderen Geschlechtern nicht benachteiligt werden: „Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG schützt auch Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts.“.
-
In § 4 Abs. 3 des Bundesgleichstellungsgesetzes (BGleiG) heißt es zur geschlechtergerechten Sprache: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“ Ferner bestimmt § 42 Abs. 5 S. 2 GGO, dass Gesetzentwürfe die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck bringen sollen. Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit gibt in Teil B, Abschnitt III, Nr. 5.3 (Rn. 317-319) Hinweise zur sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in Rechtsvorschriften. Zudem müssen in Rechtsvorschriften auch Personenbezeichnungen ausformuliert sein und dürfen keine Sparschreibungen enthalten. Die entsprechende sprachliche Gestaltung des Gesetzentwurfs ist somit ein formaler Standard. Eine gleichstellungsorientierte Folgenschätzung geht über die bloße Verwendung geschlechtergerechter Sprache hinaus und umfasst eine fachliche und datenbasierte Prüfung.